Fokus: Planungs- und Raumtheorie Theorie der Raumplanung (german)
LVA-Nr. 259.318, VO 2.0h, TISS-Entry
Note: This lecture is held in German.
Inhalt der Lehrveranstaltung:
Was heißt Raumplanung? Was versteht man unter Theorie? Die erste Frage
scheint schnell beantwortet: Raumplanung stellt den Versuch dar, das räumliche
Nebeneinander der gesellschaftlich verteilten Aktivität in rationale Bahnen zu
lenken. Weil dieser ordnende Eingriff Wissen um die Zusammenhänge und
spezielle Kenntnisse um die Möglichkeiten des Eingreifens voraussetzt, ist die
Raumplanung eine professionelle Tätigkeit, zu der ein einschlägiges Studium
qualifiziert. Weil der ordnende Eingriff in die sich selbst organisierenden
gesellschaftlichen Zusammenhänge sowohl der politischen Legitimation als auch
der rechtlichen Instrumentierung bedarf, wird die Raumplanung im gesetzlichen
Auftrag unter politischer Kontrolle durch speziell dafür eingerichtete
Institutionen betrieben.
Die zweite Frage – was man unter Theorie versteht – scheint nur ein bißchen
schwieriger. Eine Theorie ist der Versuch, die Erfahrungen eines Felds der Praxis
oder der Beobachtung als ein zusammenhängendes Ganzes zu beschreiben.
Auch die Theorie unterliegt dem Anspruch der Rationalität. Der Zusammenhang
muß intellektuell durchsichtig werden, er muß methodisch hergestellt und in
allen Punkten schlüssig sein; alle Schlüsse, die aus der Beschreibung gezogen
werden können, müssen der logischen oder empirischen Überprüfung
zugänglich sein. Theorien dürfen keine Widersprüche enthalten, dann
Beschreibungen, die Widersprüche enthalten, haben aufgehört –
beziehungsweise erst gar nicht angefangen –, ihre Konsequenzen zu
kontrollieren. Inkonsistente Beschreibungen sind eigentlich keine Theorien.
Wo also liegt das Problem einer Theorie der Raumplanung? Die Probleme
beginnen mit dem theoretischen und ziehen sich durch bis zum praktischen
Anspruch der Rationalität. Der theoretische Anspruch bezieht sich auf die
Transparenz und Konsistenz der Beschreibung, aber nicht nur. Er bezieht sich
auch auf die Förderung des Erkenntnisinteresses. Die Beschreibung will nicht nur
frei von Fehlern, sondern auch frei von Überflüssigem sein. Die theoretische
Rationalität hat sowohl wahrheitswertige als auch ökonomische Kriterien. Die
Theorie sollte möglichst viel an Erfahrungen und Beobachtungen erfassen, sie
sollte zugleich aber möglichst knapp sein und ohne Umschweife auf den Punkt
kommen.
Die eigentliche Schwierigkeit liegt im praktischen Anspruch der Rationalität. Was
heißt Rationalität im gesellschaftlichen Zusammenleben und Zusammenwirken?
Rationalität im Handeln bezieht sich auf das Verhältnis von Zwecken und
wirkenden Mitteln. Zwecke sind subjektive Absichten, Intentionen, Strebungen.
Sie kommen – als gefaßte Absicht und gesetztes Ziel – nur in der Perspektive der
ersten Person, nämlich des selbst wollenden, bezweckenden Subjekts vor.
Rational aus meiner individuellen Sicht ist, was meine Wünsche, Bedürfnisse,
Ziele mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, am weitesten gehend
umsetzt. Was individuell optimal erscheint, muss aber nicht optimal sein im
kollektiven Resultat. Die Raumplanung ist dem kollektiven Optimum
verpflichtet. Wie aber kommt man vom individuellen zu einem kollektiven
Begriff der praktischen Rationalität?
Die VO Planungstheorie beginnt mit einer Problematisierung des Begriffs der
Rationalität. Im Zug dieser Problematisierung werden zwei Begriffe auftauchen,
die sich als Schlüsselbegriffe für eine schlüssige Theorie rationaler Planung
entpuppen werden: der Begriff der Nachhaltigkeit und der Begriff der
Operationalisierung. Nachhaltigkeit ist der Begriff für den Minimalkonsens
zwischen Planern, Planungsbetroffenen und politischen Auftraggebern
hinsichtlich der Aufgabe der Raumplanung. Nachhaltigkeit ist jedoch auch der
Begriff, an dem der Zusammenhang und kreatürliche Konflikt zwischen der
individuellen und kollektiven Rationalität deutlich wird. Der Begriff der
Operationalisierung steht für den Versuch, ein Ziel wie das der Nachhaltigkeit in
konkrete Anweisungen zum Handeln zu übersetzen. Grundsätzlich gilt, dass
wissenschaftliche Begriffe operational zu definieren sind. Operationalisierung
meint, dass der Begriff durch die Anweisung, wie die Sache herzustellen oder zu
messen ist, definiert wird. Die Operationalisierung ihrer Begriffe ist die
Voraussetzung dafür, dass eine Theorie empirisch getestet werden kann.
Die VO Planungstheorie hat das Format einer theoretischen Verständigung über
Sinn, Ziel und Mittel der hoheitlich-politischen Intervention in die sich selbst
organisierende Nutzung des geographischen und biosphärischen Raums. Das
Lehrziel ist zum einen die Vermittlung eines Einblicks, was begriffsanalytische
Reflexion und theoretische Modellierung vermögen, zum andern ein Überblick
in die einschlägigen Felder der Modellierung ökonomischen und politischen
Handelns. Den theoretischen Hintergrund bildet die Ökonomie im weiten Sinn
der rationalen Rekonstruktion alltäglichen Lebens. Vertieft werden einzelne
Aspekte der Wissenschaftssoziologie und Denkökonomie, der Raumökonomie
und ökonomischen Theorie der Politik, des Ansatzes der normativen Ökonomie
und der Ökonomie der Ökologie, der Theorie der Selbstorganisation und der
fraktalen Theorie des städtischen Raums.
Als Ergänzung und zur Vertiefung aktueller Themenfelder wird die VO
Raumplanung in der Informationsgesellschaft empfohlen.